Expertenworkshop 2018
Diskussion rund um Gegenwart und Zukunft der Sozialen Marktwirtschaft
Anlässlich des 70-jährigen Bestehens der Sozialen Marktwirtschaft hat sich das Roman Herzog Institut in einem Expertenworkshop am 19.6.2018 in München mit unserer Wirtschaftsordnung beschäftigt. Eine hochkarätig und interdisziplinär besetzte Runde aus 14 Wissenschaftlern diskutierte Fragen rund um Gegenwart und Zukunft der Sozialen Marktwirtschaft: Welche Antworten hat sie auf den Strukturwandel? Wie kann sie in Zukunft für Wohlstand und Beschäftigung sorgen? Wodurch kann das Vertrauen in sie gestärkt werden? „In Anbetracht der begrifflichen Verwirrung um die Soziale Marktwirtschaft ist es uns wichtig, das Thema ganzheitlich zu betrachten.“, sagte RHI-Vorstandsvorsitzender Prof. Randolf Rodenstock.
Wertekompass Wirtschaftsordnung
Weitestgehend einig waren sich die Experten über die normativen Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft. Als Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung beruht sie auf der Vorstellung von einem autonom entscheidenden und handelnden Menschen; Entscheidungsfreiheit, Verantwortung und Haftung für das eigene Handeln gehören untrennbar zusammen. Ihr zentrales Merkmal ist der Wettbewerb. Die Rolle des Staates beschränkt sich darauf, durch Regeln das Funktionieren des Marktes zu gewährleisten und für einen sozialen Ausgleich zu sorgen. Die Soziale Marktwirtschaft steht weder für ungebremsten Kapitalismus noch für staatlichen Dirigismus oder ein bloßes Umverteilungssystem.
Perspektive weiten und Profil schärfen
Die Soziale Marktwirtschaft ist kein dogmatisches System, sondern eine regulative Idee - so brachte der Kulturphilosoph Andreas Urs Sommer, der den Workshop moderierte, unterschiedliche Vorstellungen auf einen gemeinsamen Nenner. Ihre ideologische Überhöhung trage jedoch dazu bei, dass an die Wirtschaftsordnung bei uns überzogene Erwartungen gestellt würden. Der „Wohlstand für alle“ könne nicht von Generation zu Generation vermehrt werden. Die Experten halten daher eine Neu-Justierung der Sozialen Marktwirtschaft für nötig. Dabei ist es laut Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, wichtig, die spezifisch nationale Perspektive zu weiten und die Soziale Marktwirtschaft global zu denken. Im Vergleich zu anderen Konzepten könne sich die Soziale Marktwirtschaft profilieren – etwa gegenüber dem autoritären Staatskapitalismus asiatischer Länder, der Gemeinwohlökonomie oder der sozialistischen Planwirtschaft.
Zwischen Subsidiarität und Solidarität
Auf mehr Gestaltungsfreiheit setzen und die Eigenverantwortung stärken – so lautet die Empfehlung von Christoph M. Schmidt, Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsordnung und Vorsitzender der fünf Wirtschaftsweisen. Das Verhältnis zwischen Subsidiarität und Solidarität müsse in der Sozialen Marktwirtschaft ausbalanciert werden. Dafür gibt es jedoch kein Patenrezept, wie die Experten betonten. In der Frage, wie viel Sozialstaat nötig und wie viel Marktwirtschaft möglich ist, gingen ihre Meinungen teilweise weit auseinander. Grundsätzlich sei eine Umverteilung zugunsten sozial Schwacher nötig, allein schon um das Vertrauen der Menschen in das Funktionieren der Wirtschaftsordnung aufrechtzuerhalten.
Soziale Markwirtschaft als Bildungsaufgabe
Die Soziale Marktwirtschaft steht immer wieder in der Kritik. Sie führe etwa zu einer ungleichen Verteilung von Vermögen oder sie ermögliche keine Chancengerechtigkeit. Doch die Workshopteilnehmer bescheinigten der Sozialen Marktwirtschaft nachdrücklich, dass sie trotz mancher Mängel besser ist als ihr Ruf. Sie plädierten für mehr Bildung und Aufklärung, um auf allen gesellschaftlichen Ebenen mehr Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge zu wecken. Außerdem sei es erforderlich, in Deutschland ein Klima für Innovationen zu fördern, um auch in Zukunft erfolgreich wirtschaften zu können. In Zeiten rasanten technischen Fortschritts und ständigen Wandels liege die Stärke der Sozialen Marktwirtschaft auch darin, dass sie immer wieder neue Ideen und Lösungen hervorbringe.
Für die Zukunft gut gerüstet
Einig waren sich die Experten darin, dass die Soziale Marktwirtschaft durch die strukturellen Veränderungen der Arbeitswelt aktuell vor einer weiteren Bewährungsprobe steht. Wie wirkt sich die Digitalisierung auf Beschäftigung und Wachstum aus? Was geschieht auf globalen Märkten? Welche Regulierungen sind sinnvoll?
Um Antworten auf diese drängenden Fragen zu finden, muss auch die Stimme junger Wissenschaftler gehört werden, die sich mit der Weiterentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft befassen. Mit der Verleihung des „Roman Herzog Forschungspreises Soziale Marktwirtschaft“ trägt das RHI maßgeblich dazu bei, die Forschung zu unserer Wirtschaftsordnung voranzubringen. Die Ehrung der Preisträger 2018 fand im Anschluss an den Expertenworkshop statt.