Rückblick: 19. RHI-Fachsymposium
Fakten, Führung und Alter neu denken
In seinem diesjährigen Fachsymposium wartete das Roman Herzog Institut (RHI) mit einer Reihe fundierter Denkanstöße zum digitalen und gesellschaftlichen Wandel auf: Wie lassen sich Fakten von Fake unterscheiden? Wie gelingen digitale Führungsbeziehungen? Brauchen wir einen neuen Blick auf das Alter?
„Auf komplexe Fragen gibt es keine einfachen Antworten. Wir wollen Dingen auf den Grund gehen und dazu ermuntern, Mehrdeutigkeiten auszuhalten“, stimmte RHI-Vorstandsvorsitzender Randolf Rodenstock auf die Veranstaltung ein, die Corona bedingt wieder online stattfand.
Faktencheck statt Daumen hoch
Wie nah etwa Nutzen und Risiken der Künstlichen Intelligenz (KI) beieinander liegen, veranschaulichte der KI-Experte Damian Borth. Mit derselben Technologie, die mit großem Nutzen etwa in der medizinischen Diagnostik und Therapie zum Einsatz kommt, lassen sich auch massenhaft Bild- und Tondateien täuschend echt fälschen. Die Plattformbetreibenden hätten allerdings ein kommerzielles Interesse daran, solche Deep Fakes in den sozialen Netzwerken zu verbreiten, da sie hohe Klickzahlen versprechen. Daher – so der Journalist Richard Gutjahr – sollten die Nutzer auf der Hut sein: Bevor man Inhalte im Netz „liked“, solle man sie möglichst auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen. Bildungspolitikerin Dagmar Schipanski setzt zudem darauf, Kindern und Erwachsenen mehr Kompetenz im Umgang mit digitalen Medien zu vermitteln.
Durchhänger im Homeoffice?
Digitale Verfahren haben auch Führungsbeziehungen von Grund auf verändert. Dass Chef*innen und Mitarbeitende sich heute häufiger am Bildschirm als im Büro treffen, ist eine „Verlusterfahrung“ für beide Seiten, sagt der Führungsexperte Jürgen Weibler. Denn das Arbeiten im Homeoffice schafft nicht nur physische Distanz. Es vermindert auch jene „Resonanzerlebnisse“ im persönlichen Austausch, die wichtig für Arbeitszufriedenheit und Motivation sind. Eine besondere Herausforderung für Führungskräfte bestehe demnach im virtuellen Raum darin, die Mitarbeitenden in ihrer Eigenverantwortung zu stärken. Nach Ansicht von RHI-Geschäftsführer Martin Michael Lang kommt es in Führungsbeziehungen zudem auf eine gute Kommunikation an.
Senioren auf Sinnsuche
Im Allgemeinen verbinden wir mit dem Alter den völligen Rückzug aus der Arbeitswelt. Dass die Lebensentwürfe älterer Menschen heute oft ganz anders aussehen, erläuterte Altersforscher Andreas Kruse. Studien zufolge wollen sich viele Menschen auch über ihr aktives Berufsleben hinaus einer sinnvollen Beschäftigung widmen. Der Mediziner plädiert dafür, diese Bedürfnisse ernst zu nehmen und die Potenziale der älteren Generation zu nutzen. Unternehmen sollten zum Beispiel ausscheidenden Mitarbeite*innen eine Weiterbeschäftigung anbieten und sie mit neuen Aufgaben betrauen. Auch im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements könnten alte Menschen ihren Möglichkeiten und Neigungen entsprechende Tätigkeiten übernehmen. Kennzeichnend für die ältere Generation ist allerdings auch ihre Heterogenität in Bezug auf sozialen Status, Bildung und Gesundheit – was Kruse zufolge allgemeingültige Aussagen über das Alter erschwert.
Von Forschung und Vertrauen
Abschließende Antworten auf drängende Fragen kann auch die Wissenschaft nicht liefern – das betonte der Astrophysiker und Nobelpreisträger Reinhard Genzel. Vielmehr mache gerade der produktive Streit das Wesen der Wissenschaft aus und bringe ständig neue Erkenntnisse. Es sei daher wichtig, beim wissenschaftlichen Nachwuchs die Begeisterung an Forschungsfragen wachzuhalten.
„Wissbegier und Neugier sind entscheidend, um Perspektiven für die Gesellschaft von morgen aufzeigen“, bekräftigte RHI-Vorstandsvorsitzender Randolf Rodenstock in seinem Schlusswort. „Darüber hinaus braucht es wieder mehr Vertrauen, um die Gesellschaft als Ganzes zusammenzuhalten.“