Interview

"Eine starke Gesellschaft braucht die starke Stimme gut ausgebildeter Führungskräfte"

Gespräch mit dem Unternehmensberater Peter Paschek

Ein Unternehmen erfolgreich zu führen, ist eine Herkulesaufgabe. Das gilt in Zeiten von Corona mehr denn je. Sind Manager*innen dafür gut genug ausgebildet?

Peter Paschek: Managementbildung – also die Aus- und Weiterbildung von Führungskräften – muss ihnen in erster Linie jenes Wissen vermitteln, das sie für ihre beruflichen Aufgaben nutzen können. Im Mittelpunkt stehen dabei betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Dazu gehört auch ein tiefergreifendes Verständnis von gesellschaftspolitischen Zusammenhängen.

Darum wird seit langem die Integration der humanities – Geisteswissenschaften – in die Managementbildung gefordert. Denn in unserer globalisierten Welt haben auch historische, politische und kulturelle Faktoren einen großen Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen. Solche Kenntnisse gehören deshalb zum Rüstzeug jedes Managers oder jeder Unternehmerin.

Also mangelt es Führungskräften vor allem an humanistischer Bildung?

Paschek: Ich vertrete nicht die Auffassung, dass Manager ungebildet sind. In meiner bisherigen Beratertätigkeit bin ich einer Reihe von Führungskräften begegnet, die umfassend gebildet waren im Sinne einer klassischen humanistischen Bildung. Diese wurde aber nicht als Teil zur Reflexion der beruflichen Aufgaben verstanden, sondern diente vorwiegend der eigenen Muße, war also mehr „Ornament“.

Ein Problem, das die große Mehrheit der Manager betrifft, ist nicht mangelnde, sondern einseitige Bildung. Sie sind ausgebildet in ausschließlich einem, wenn auch zentralen Bereich der beruflichen Tätigkeit.

Welchen gesellschaftlichen Auftrag haben Führungskräfte der Wirtschaft heute?

Paschek: Die wichtigste gesellschaftliche Aufgabe und Verantwortung des Managers ist es, für dauerhaften wirtschaftlichen Erfolg zu sorgen. Aber das ist nicht alles. Bereits 1954 bemerkte Gustav Stein, ehemaliger Hauptgeschäftsführer vom Bundesverband der Deutschen Industrie: „Glaubt heute wirklich jemand, dass es noch mit einer guten Bilanz und einer rationellen Produktion getan ist, oder es sei gleichgültig, ob die Fabriken einem Tyrannen oder der persönlichen Freiheit dienen? Somit geht es entscheidend um das Vorbild, um das Vorangehen in die Politik. Eine schwierige Aufgabe gewiss, aber eine unvermeidliche, wenn überhaupt das Zusammenleben freier Menschen erstrebt wird.“

Worauf kommt es außerdem an?

Paschek: Jeder Unternehmer und jede Managerin hat – neben seinem Kerngeschäft – auch die Pflicht, die politische Kultur seines Landes mitzugestalten. Der Wirtschaftsethiker Karl Homann spricht in diesem Zusammenhang von der Diskursverantwortung der Wirtschaftseliten. Die Stimme der Wirtschaft verdient Gehör, nicht nur wenn es um die geschäftlichen Interessen von Unternehmen geht, sondern auch in Debatten über die Wirtschaftsordnung, über demokratische Werte oder den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Der überwiegende Teil der Führungskräfte sieht sich aber noch immer zu wenig in den politischen Prozess involviert. Man überlässt es den Verbänden oder den PR-Abteilungen, Position zu relevanten Themen zu beziehen.

Während des Lockdowns habe die Aktivitäten vieler CEOs in den sozialen Medien aber deutlich zugenommen: Neuerdings scheinen immer mehr Manager*innen diese Form der Kommunikation strategisch zu nutzen. Wie stehen Sie dazu?

Paschek: Mein persönlicher Eindruck ist, dass Twitter oder Facebook von Führungskräften nicht in erster Linie genutzt wird, um in einen echten Dialog mit der Öffentlichkeit einzutreten. Eher geht es um flüchtige und oberflächliche, schnelllebige Information. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass viele Manager ständig unter Zeitdruck stehen.

Ich frage mich: Wie sieht eigentlich die Zukunft einer Gesellschaft aus, in der die Verantwortlichen und Führenden keinen Raum mehr zur Besinnung, keine Zeit zum Nach- und Vordenken haben?

In der Pandemie sind viele Unternehmer*innen über sich hinausgewachsen: Sie haben Mut und Initiative bewiesen, damit ihre Firmen aus eigener Kraft wirtschaftlich überleben können. In der Öffentlichkeit dominiert jedoch das Bild der Konzerne, die sich auf Kosten des Staates saniert haben. Wie kommt man weg von diesem negativen Image?

Paschek: Wichtig wäre, dass die Unternehmen ihre Leistungen offensiver nach außen tragen – sonst drohen sie nur noch im Zusammenhang mit Skandalen wahrgenommen zu werden. Nicht nur die Wissenschaft hat in der Corona-Pandemie Enormes geleistet, sondern auch viele Unternehmen. Sie haben beispielsweise in Rekordzeit Impfstoffe hergestellt oder sich auf die Produktion von Masken, Tests und Schutzausrüstung verlegt – von der Grundversorgung mit lebensnotwendigen Gütern ganz zu schweigen.

Was bedeutet das für die Aus- und Weiterbildung von Manager*innen?

Paschek: Das Thema politische Verantwortung kam lange Zeit in der Ausbildung von Führungskräften zu kurz. In jüngster Zeit gibt es erfreuliche Ansätze im akademischen Bereich, zum Beispiel Studiengänge, die geisteswissenschaftliche Grundlagen in die Managementbildung integrieren.

Es kommt darauf an, das Spannungsfeld aufzuzeigen, in dem Manager stehen, um weder durch ihre Taten noch Worte anderen wissentlich Schaden zuzufügen – und das ist in der Tat eine hohe Kunst. Bildung ist hierfür sicherlich kein Allheilmittel, aber sie kann dazu beitragen, dass das gute Herz eines Menschen durch einen reflektierenden Kopf geleitet wird.

Was wünschen Sie sich im Superwahljahr 2021 von Managern und Wirtschaftsbossen?

Paschek: Sie sollten sich einmischen, zu Wort melden, sich aktiv an der öffentlichen Meinungsbildung beteiligen. Sie sind es schließlich, die über wichtige Ressourcen disponieren, die weitreichende Entscheidungen treffen und mitzuverantworten haben – oder um es mit Goethe auszudrücken: „Ich wüsste nicht, wessen Geist ausgebreiteter wäre, ausgebreiteter sein müsste, als der Geist eines echten Kaufmanns.“

Indem die Wirtschaftsmanager die Debatten in der Öffentlichkeit ‚links‘ liegen lassen, geben sie dieses Feld frei für jene gesellschaftlichen Gruppen, die nicht aufhören, das Bild des bösen, gewinnmaximierenden Kapitalisten zu zeichnen und damit ihre extremen gesellschaftlichen Utopien zu begründen.

Führen mit Werten | Roman Herzog Institut

Zuletzt von Peter Paschek erschienen: Peter F. Drucker: Erinnerungen an einen konservativ-christlichen Anarchisten, Tectum Verlag, 2020

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