Preisverleihung 2023

Rückblick Roman Herzog Forschungspreis 2023

Wie widerstandsfähig ist unsere Wirtschaftsordnung?

Im Jubiläumsjahr ehrte das Roman Herzog Institut drei junge Wissenschaftler*innen für ihre Forschungsarbeiten über europäisches Wettbewerbsrecht, soziale Ungleichheit und institutionelle Rahmenbedingungen.

„Gerade in Zeiten multipler Krisen müssen wir – getreu dem RHI-Motto – ‚Gesellschaft denken‘. Dazu gehört auch, unsere Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten“, sagte der RHI-Vorstandsvorsitzende Prof. Randolf Rodenstock bei der Preisverleihung im Literaturhaus München.

In seinem Grußwort erinnerte Wolfram Hatz, Präsident der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V., an die Einführung der Sozialen Marktwirtschaft vor 75 Jahren. „An dieser Erfolgsgeschichte hat auch das RHI mitgeschrieben“, sagte er „Mit dem Forschungspreis macht es unsere Wirtschaftsordnung stärker und robuster.“
 

Aus der Sackgasse zum Anpassungspfad

Um die Widerstandsfähigkeit der Sozialen Marktwirtschaft ging es in der Festrede von Prof. Martin Werding, Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Besorgt zeigte sich der Ökonom über die Entwicklung der Staatsverschuldung. Zwar seien Finanzspritzen für private Haushalte und angeschlagene Unternehmen in Ausnahmesituationen kurzfristig gerechtfertigt – wie während der Pandemie oder angesichts der hohen Energiepreise infolge des Ukraine-Krieges. „Vieles ist aber überdosiert oder nicht zielgerichtet“, kritisierte der Wirtschaftsweise.

Gegen die langfristigen Herausforderungen wie die Dekarbonisierung und den demografischen Wandel könnten Subventionen nichts ausrichten. Vielmehr müssten die öffentlichen Ausgaben gesenkt und die Haushalte konsolidiert werden, um auch in künftigen Krisen handlungsfähig zu sein. Der Experte empfahl, mehr auf marktwirtschaftliche Instrumente als auf staatliche Wettbewerbslenkung zu setzen.


Es gilt das ordoliberale Wort

Mit dem ersten Preis und einem Preisgeld von 20.000 Euro wurde Dr. Anselm Küsters ausgezeichnet. In seiner Dissertation gibt er einen historischen Rückblick auf die intellektuellen Grundlagen der europäischen Rechtsordnung. Mithilfe qualitativer Analysen und quantitativer Text-Mining-Methoden zeigt der Erstplatzierte, wie stark das ordoliberale Wettbewerbsverständnis über Jahrzehnte die europäische Wettbewerbspolitik und Rechtsprechung geprägt hat.

Dabei erschwert die semantische Unbestimmtheit vieler Normen oft eine einheitliche Durchsetzung des Wettbewerbsrechts. Anselm Küsters empfiehlt, bei der Anwendung und Auslegung von Gesetzen die Denktraditionen der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten stärker zu berücksichtigen und zwischen unterschiedlichen Leitbildern der Wettbewerbspolitik zu vermitteln.


Vertragseingriffe für die Freiheit

Den zweiten Preis und 10.000 Euro erhielt Prof. Dr. Julia Kraft. In ihrer Habilitationsschrift befasst sich die Juristin mit der Rolle des Vertragsrechts bei der Armutsbekämpfung. Vor dem Hintergrund steigender Sozialausgaben nutzt der Staat neben den klassischen Instrumenten des Steuer- und Sozialrechts zunehmend das Vertragsrecht, um gegen soziale Ungleichheit vorzugehen – beispielsweise mithilfe der Mietpreisbremse oder gesetzlicher Mindestlöhne.

Kritiker sehen darin einen unzulässigen Eingriff in die Vertragsfreiheit. Um bedürftigen Menschen grundlegende existenzielle Freiheiten überhaupt erst zu ermöglichen, sind solche sozialgestaltenden Interventionen legitim und notwendig, argumentiert dagegen Julia Kraft. Ihr zufolge verhilft der soziale Ausgleich dem Prinzip der Freiheit zu neuer Geltung.


Fakten für Reformen

Den dritten Preis und damit 5.000 Euro erhält Dr. Florian Dorn. In seiner Dissertation weist er empirische Zusammenhänge zwischen wirtschaftlicher Ungleichheit und gesellschaftlichem Zusammenhalt nach. Der Ökonom untersucht, wie staatliches Handeln und veränderte Rahmenbedingungen Wohlstand und politische Stabilität fördern können.

Seine faktenbasierte Forschung belegt, dass Menschen in „abgehängten“ Regionen häufiger radikale Parteien unterstützen. Unter welchen Bedingungen Infrastrukturprojekte die regionale wirtschaftliche Entwicklung beleben können, zeigt er in einer weiteren Studie. Auf kommunaler Ebene analysiert Florian Dorn die Konjunkturzyklen öffentlicher Ausgaben und die Effizienz des Rechnungswesens. Im internationalen Maßstab vergleicht er die Effekte des offenen Handels auf die Einkommensungleichheit. Aus seinen Forschungsergebnissen leitet er Empfehlungen für politische Entscheidungsträger ab.


Subventionen machen süchtig

Auch beim abschließenden Generationentalk stand die Frage im Mittelpunkt, wie gut die Soziale Marktwirtschaft gegen Krisen aufgestellt ist. Kritisch äußerten sich die Preisträger*innen zur staatlichen Subventionspolitik. Statt marode Unternehmen künstlich am Leben zu erhalten, solle der Staat den Wettbewerb fördern und mehr in Bildung und Forschung investieren. Die Entwicklung zukunftsfähiger Technologien komme langfristig nicht nur dem Klimaschutz zugute. Sie trage auch dazu bei, von marktbeherrschenden Anbietern und globalen Lieferketten unabhängiger zu werden.

Für einen Politikwechsel brauche es mehr Mut zum experimentellen Handeln: „Ein Ruck täte gut“, sagte Randolf Rodenstock abschließend in Anspielung auf den Namensgeber des Instituts, Bundespräsident a.D. Roman Herzog. „Aber was wir derzeit leider erleben, ist politische Sprunghaftigkeit.“ Vorhersehbarer endete dagegen die Veranstaltung, indem der Gastgeber die nächste Bewerbungsrunde eröffnete.

Mehr Informationen zum Bewerbungsverfahren für den Forschungspreis 2024 finden Sie hier.

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Foschungspreis 2023 - Rückblick

Forschungspreis 2023 -

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