Vom Zuhören und Nachhaken

Ein Blick hinter die Kulissen der neuen Formate „RHI-Podcasts“ und „RHI-Kontexte“

von Martina Martschin

Brigitte Borrelli räumt ihren Schreibtisch. Denn das Büro, das sie sich normalerweise mit RHI-Kollegin Tina-Maier Schneider teilt, soll in wenigen Minuten als Aufnahmestudio dienen. Gleich wird dort eine neue Folge der RHI-Podcasts aufgezeichnet. Zu Gast bei Tina Maier-Schneider ist heute Nils Goldschmidt, Professor für Kontextuale Ökonomik an der Universität Siegen und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Roman Herzog Instituts.

Entspannt und persönlich

Die beiden kennen sich von gemeinsamen Sitzungen und Veranstaltungen, das sorgt sofort für eine entspannte Atmosphäre. Trotzdem macht man sich erst noch ein wenig locker und plaudert die Nervosität weg, bevor es heißt: „Achtung, Aufnahme!“ Während des Gesprächs sitzen sich beide an Spezialmikrofonen gegenüber, die mit sogenannten Sound Shields ummantelt sind. Sie filtern Hintergrundgeräusche und akustische Verzerrungen aus der Aufnahme. Außer den Gesprächspartnern ist nur eine Technikerin im Raum, die die Aufzeichnung überwacht und sie später schneiden wird.

„Hier geht es um die Person hinter der Forschung“, erläutert Tina Maier-Schneider das Konzept des neuen Hör-Formats des Roman Herzog Instituts. Vor jedem Gespräch beschäftigt sie sich eingehend mit ihrem Gegenüber, um Anknüpfungspunkte und Themen für den Podcast zu finden. „Ich suche einen Anker“, erklärt die Wissenschaftliche Mitarbeiterin am RHI. Ein solches Leitmotiv kann sowohl mit der persönlichen Biografie als auch mit der wissenschaftlichen Laufbahn des Gesprächspartners zu tun haben. An Nils Goldschmidt hat sie beispielsweise die Tatsache fasziniert, dass er Theologie und Ökonomie studiert hat – eine eher ungewöhnliche Kombination.

Bauernhof, Bau und Gulasch

Im persönlichen Talk geben die Gäste – renommierte Wissenschaftler*innen in ihren jeweiligen Disziplinen – dann oft erstaunlich offen Auskunft über ihr Leben: Dabei erfährt man etwa, dass der eine seine Kindheit auf dem Bauernhof verbracht hat und ein anderer sein Studium mit der Arbeit auf dem Bau finanzieren musste. Goldschmidt offenbart heute seine Leidenschaft für das Kochen und verrät sein Lieblingsrezept für Gulasch.

„Mein Ziel ist es, mehr zu erfahren, als man über diesen Menschen googeln könnte“, sagt Maier-Schneider. Bei aller Lockerheit ist immer auch Fingerspitzengefühl gefragt – denn allzu privat soll es dann ja doch nicht werden. Goldschmidt etwa fürchtet, seiner Tochter könnten einige seiner Äußerungen nicht passen, und bittet darum, diese später herauszuschneiden: „15-Jährige sind manchmal so empfindlich …!“

Cineastische Eisbrecher

„Grundsätzlich darf hier jeder sein Lieblingsthema ansprechen“, sagt Maier-Schneider. Das Besondere am RHI-Podcast-Format sei eben das Zuhören. Besonders gern kommen ihre Gäste auf Lieblingsfilme und -musiken zu sprechen: „Wir können bald eine Top-10-Playlist unserer Gesprächspartner machen“, lacht sie. Doch hat sie auch schon erlebt, dass der Gesprächsfaden reißt und der Dialog ins Stocken gerät: Dann ist Improvisation gefordert.

Tina Maier-Schneider erinnert sich an eine Situation, als ihr partout nichts mehr einfallen wollte, um ihr Gegenüber – einen Experten zum Thema Macht – aus der Reserve zu locken. Ausgerechnet das bekannte Zitat „Möge die Macht mit dir sein!“ aus dem Film „Krieg der Sterne“ konnte spontan das Eis brechen. Mit Nils Goldschmidt ist es dagegen völlig unkompliziert, ins Gespräch zu kommen, findet die Talk-Expertin. Ein dankbares Thema ist auch sein soeben erschienenes Buch: „Gekippt – Was wir tun können, wenn Systeme außer Kontrolle geraten“.

Kamera läuft ...

Zwei Stockwerke darüber gibt es keine Kippmomente. Da laufen in diesem Moment alle Systeme rund und nichts gerät außer Kontrolle. Dafür sorgt das Technikteam der mbw – Medienberatung der Wirtschaft, das eine neue Folge der Video-Reihe „RHI-Kontexte“ aufzeichnet. Im Studio interviewt RHI-Geschäftsführer Martin Lang vor laufenden Kameras Frank Müller, Professor an der FOM Hochschule für Oekonomie und Management in Nürnberg. Es geht um Fragen der strategischen Führung. Im Regieraum wachen gleichzeitig erfahrene Profis darüber, welche Kamera welche Einstellung filmt, wann gezoomt oder wie geschwenkt werden soll.

Von alldem bekommen die beiden Gesprächspartner im Studio nichts mit, sie sind ganz in ihr Thema vertieft. Frank Müller antwortet ruhig und ausführlich auf die Fragen des RHI-Geschäftsführers. Martin Lang hat sich sorgfältig vorbereitet und muss nur ab und zu einen Blick auf seine Notizen werfen. Nur einmal, als diese allzu auffällig ins Bild geraten, gibt es Lacher im Regieraum: „Warum wedelt der so wild mit den Karteikarten? – Das müssen wir rausschneiden!“

Trotz des hochkonzentriert geführten 45-minütigen Interviews wirken beide Gesprächspartner ganz entspannt, als sie später das Studio verlassen. Dass beide in dem Thema sattelfest sind und sich gut kennen, mag zu der angenehmen Atmosphäre beitragen. Zum eigenen Fachgebiet Rede und Antwort zu stehen, fällt den Experten oft leichter, als über Persönliches zu sprechen – wie bei den „RHI-Podcasts“. Das Fachwissen gilt als sicheres Fahrwasser, Privates dagegen als eher unsicheres Terrain.

Zeit für komplexe Zusammenhänge

Mit der neuen Interview-Reihe „RHI-Kontexte“ will Martin Lang sich bewusst Zeit nehmen, um komplexe Zusammenhänge sichtbar zu machen. „Wissenschaft zu erklären, braucht Zeit“, sagt der promovierte Politikwissenschaftler. „Diese Zeit müssen wir uns als Thinktank nehmen!“

Kleinformatige Berichterstattung – wie sie etwa über die Sozialen Medien erfolgt – läge zwar aktuell im Trend. Auch das RHI nutzt diese Möglichkeiten. „Jeder Trend hat aber zwangsläufig auch einen Gegentrend“, betont er. Die „RHI-Kontexte“ sieht er als Chance, wichtige Themen im Gespräch mit Expertinnen und Experten zu vertiefen und Hintergründe zu vermitteln. Dies lässt oft auch Raum für Exkurse in benachbarte Wissensgebiete: „Manchmal hört man von Fachleuten im Gespräch den Satz: ‚Jetzt müsste ich eigentlich noch auf dieses und jenes eingehen.‘ – Gerade das macht ja die Gespräche dann oft erst richtig spannend. In unseren Interviews ist dafür Zeit!“

Im Fokus: strategische Führung

Vor allem beim Thema strategische Führung, das im Mittelpunkt der aktuellen Staffel der „RHI-Kontexte“ steht, sieht Martin Lang noch viel Erklärungsbedarf: „Angesichts der Situation in der Ukraine erleben wir, wie wichtig politische Führung ist. Aber sie funktioniert nach anderen Prinzipien als die Mitarbeiterführung. Politische Entscheidungen haben weitreichende Konsequenzen, sie sind nicht leicht zu revidieren und meist mit hohen Kosten verbunden. Was gute strategische Führung ausmacht in der heutigen Zeit, muss erklärt werden.“

Trotz hoher Ambitionen gibt er sich gelassen: „Wir müssen ja auch selbst erstmal in die neuen Formate hineinfinden“, erklärt er. Schließlich sei keine Revolution geplant: Durch die Audio- und Video-Reihen „RHI-Podcast“ und „RHI-Kontexte“ sollten bestehende Formate ergänzt und weiterentwickelt werden – ein Prozess, den Vorstand und Wissenschaftlicher Beirat des RHI unterstützen und evaluieren.

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