Wir haken nach - unsere Experten antworten

Viele unserer Themen wie Freiheit, Gerechtigkeit und Digitalisierung bekommen durch die aktuellen Ereignisse eine neue Brisanz. Gleichzeitig beschäftigen uns viele neue Fragen.

Es ist das Anliegen des Roman Herzog Instituts, nicht still zu halten, sondern Köpfe zu bewegen. Unser Netzwerk unterstützt uns dabei.

 

 

 

 

Werner Abelshauser, Wirtschafts-und Sozialgeschichte

Unter welchen Bedingungen verändern sich menschliche Denk- und Handlungsweisen? Welche Erkenntnisse können wir in Zeiten der Krise aus der Geschichte ziehen? 

Prof. Werner Abelshauser: „Die Krise zeigt uns, dass äußere Herausforderungen und Schocks jederzeit die Lebens- und Wirtschaftsführung wandeln können: Sie stellen unsere gewohnte institutionelle Einbettung (bestehende Denk- und Handlungsweisen sowie Organisationsweisen und Spielregeln) infrage und zwingen alle Akteure, neue Entscheidungen zu treffen.“

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Damian Borth, Artificial Intelligence and Machine Learning

KI und die Corona-Krise: Woher wissen wir, wann es vorbei ist? Welchen Beitrag kann Big-Data leisten?

Damian Borth: „Die Krise zeigt uns, wie wichtig verifizierte Informationen in solchen Zeiten sind. Künstliche Intelligenz kann dazu beitragen, verifizierte Informationen zu markieren, um dadurch ein Vertrauen zwischen der öffentlichen Hand und der Bevölkerung zu schaffen.“

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Andreas Brandhorst, Schriftsteller

Halten Science-Fiction-Szenarien aus der Zukunft Impulse für die Gegenwart bereit?

Andreas Brandhorst: „Ich denke, die Krise zeigt uns unabhängig von Science-Fiction-Szenarien, dass wir nicht von der Natur abgekoppelt, sondern ein Teil von ihr sind. Sie zeigt auch: Niemand von uns kann allein in einer individuellen Blase existieren. Wir sind alle voneinander abhängig.

Diese zwei Erkenntnisse sind für die Zukunft sehr wichtig und könnten uns, wenn wir sie richtig anwenden, bei der Schaffung einer besseren Welt helfen. Wir müssen „die Natur“ – die nicht irgendwo dort draußen existiert, sondern hier – respektieren und vor Schaden bewahren.

Außerdem müssen wir die Jeder-ist-sich-selbst-der-Nächste-Philosophie überwinden und eine solidarische Gesellschaft konstruieren. Denn nur gemeinsam sind wir stark.“

 

 

 

 

 

Georg Cremer, Volkswirtschaftslehre

Wäre das bedingungslose Grundeinkommen in der aktuellen Krise ein Mittel zur Bewältigung der prognostizierten negativen finanziellen Folgen für die Menschen?

Prof. Georg Cremer: „Als Antwort auf die Corona-Krise ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) einführen? 800 bis 1.200 Euro pro Monat für jeden? Befristet auf sechs Monate? Sprich: Insgesamt soeben mal 400 bis 600 Milliarden Euro zusätzlich ausgeben? Das halte ich für keine gute Idee! Denn es würden viele unterstützt, die gar keine Einbußen haben. 

Die Corona-Pandemie ist eine riesige Herausforderung und dafür brauchen wir eine zielgerichtete Politik: u. a. Hilfen für Selbstständige und Kleinunternehmen, Kurzarbeitergeld für Unternehmen, Stärkung des Gesundheitssystems, mehr Forschung gegen virale Bedrohungen. 

Zudem ist es eine völlig unrealistische Vorstellung, eine solche Mega-Reform wie das BGE mal kurz für sechs Monate einzuführen. Alle anderen Gesetze würden weiter gelten: So gäbe es Pensionen, Renten, BAföG oder Arbeitslosengeld II plus BGE. Solche Leistungen sollen aber eigentlich mit dem BGE entfallen oder reduziert werden. Auch müsste man kurzfristig einen neuen Verteilungsmechanismus aufbauen.“

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Thomas Straubhaar, Wirtschaft, Ökonomie

Warum würde uns ein bedingungsloses Grundeinkommen in der Krise helfen?

Prof. Thomas Straubhaar: "Weil es haargenau das liefert, was jetzt gefordert ist: schnelle, unbürokratische Unterstützung ohne Bedingungen, die weder stichhaltig formuliert noch zeitgerecht überprüft werden können.

Die Krise zeigt uns auf brutale und völlig unerwartete Weise, was Disruption eben auch bedeutet. Nämlich, dass von einem Tag auf den anderen alte Gesetzmäßigkeiten vollständig ausgehebelt werden. Damit jedoch werden Erfahrungen der Vergangenheit nicht für die Zukunft extrapolierbar. Es fehlt an Blaupausen, an denen man sich orientieren kann. Und genau das zeigt, wieso soziale Unterstützung „bedingungslos“ sein muss! Wie viele kerngesunde Firmen werden nun wohl angesteckt, erkranken und müssen mit dem Schlimmsten – dem Konkurs – rechnen?  Wie viele Beschäftigte, die alles richtig gemacht haben, verlieren als Folge des wirtschaftlichen Vollstopps den Job? Hier „Bedingungen“ für Hilfe zu formulieren, ist deplatziert, bürokratisch und demotivierend. Gleiches gilt eben bei allen disruptiven Prozessen. Sie sind so anders, dass jede Bedingung, die sich an alten Gesetzmäßigkeiten orientiert – und an was sonst?, ihnen nicht gerecht wird. Deshalb muss soziale Unterstützung bedingungslos erfolgen!“

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Dominik Enste, Verhaltensökonomik und Wirtschaftsethik

Warum verhalten sich Menschen in Krisenzeiten ökonomisch irrational und beginnen z. B. zu hamstern? 

Prof. Dominik Enste: „Die Krise zeigt uns, dass wir stark von Emotionen gesteuert werden. Ein Beispiel ist das Herdenverhalten, welches die Verhaltensökonomik untersucht. Wenn einige Menschen beginnen, mehr zu kaufen als sonst, machen dies andere Menschen nach, und es entsteht eine für alle schlechtere Situation. Aber der Überlebensinstinkt ist geweckt und unser evolutorisches Erbe sorgt dafür, dass wir unsere Familie und enge Verwandte schützen wollen. 

Eine Überflussgesellschaft lernt gerade, den Mangel zu verwalten. Wie gut dies gelingt, hängt stark vom Vertrauen ab, das wir in die Entscheidungen der Regierung, aber auch in die Wirtschaft und die Gesellschaft generell haben.“

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Stefan Hradil, Soziologie

Welche Gefahren und Chancen bietet die Krise für die Gesellschaft?

Prof. Stefan Hradil: „Die Krise zeigt uns, dass es nichts umsonst gibt – auch nicht die Globalisierung, der wir doch so viel verdanken. Nach den ökologischen und politischen Herausforderungen, die die Globalisierung nach sich zog, müssen wir uns jetzt mit ihren gesundheitlichen Bedrohungen auseinandersetzen. Wir werden die Segnungen der Globalisierung nur aufrechterhalten können, wenn wir auch lernen, ihre Schattenseiten zu beherrschen.“

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