Interview mit Randolf Rodenstock, Vorstandsvorsitzender Roman Herzog Institut

Als wir Professor Randolf Rodenstock diese Frage gestellt hatten, waren wir noch weit davon entfernt zu ahnen, dass das griechische Substantiv „krisis“, zu Deutsch Wendepunkt, für uns solch eine neue Realität bekommen sollte. Nachfolgende Fragen hatten wir ihm vor geraumer Zeit gestellt. An Aktualität haben sie nichts eingebüßt.

 

 

 

 

Wie kann sich unsere Gesellschaft auf die Zukunft vorbereiten?

Rodenstock: Die Zukunft kennen wir nicht – also ist es schwierig, sich angemessen auf sie vorzubereiten. Natürlich plädiere ich nicht dafür, einfach abzuwarten, was passieren wird. Doch sollten wir uns nicht vorschnell auf bestimmte Zukunftsszenarien festlegen, sondern uns verschiedene Optionen offenhalten.

Wir brauchen politische Rahmenbedingungen, die den Menschen und Unternehmen Bewegung ermöglichen. Diese Fähigkeit, flexibel auf mögliche Entwicklungen zu reagieren, können wir auch als Bildungsaufgabe verstehen.

Als Gesellschaft brauchen wir mehr Mut, um Gedankenexperimente zu wagen und uns mögliche Zukünfte auszumalen. Dadurch können wir leichter entscheiden, was wir eigentlich wollen. Schließlich sollte jeder Einzelne auch eine gewisse Vorfreude auf Neues und Veränderungsbereitschaft mitbringen.

Warum fällt es den Menschen heute so schwer, Utopien zu entwickeln?

Rodenstock: Utopien zeigen Möglichkeiten. Sie öffnen eine Tür in der Wirklichkeit und erlauben einen Blick auf das, was sein könnte.

Viele Menschen verunsichert das jedoch. Sie fürchten sich davor, dass sich ihre Erwartungen nicht erfüllen und dass die Zukunft hinter ihren Idealvorstellungen zurückbleibt. Deswegen halten sie sich lieber gleich an Gewohntes und Vertrautes.

Wer sich dagegen zu einem utopischen Denken bekennt, gilt schnell als suspekt. Als Politiker macht man sich damit unglaubwürdig, wird als verantwortungslos wahrgenommen. Dabei wäre es für uns alle notwendig, die Perspektive zu weiten.

© Roman Herzog Institut e.V.