RHI-Symposium 2018
Arbeitswelt im Umbruch
Automatisierung, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz – die Arbeitswelt befindet sich im Umbruch. Über die Auswirkungen des technologischen Fortschritts ist eine gesellschaftliche Debatte entbrannt, in der Unsicherheit und Skepsis überwiegen. Beim RHI-Symposium 2018 wurde der Blick vor allem auf die Chancen für den gesellschaftlichen Wandel gerichtet. Die Unternehmen erhoffen sich von der Künstlichen Intelligenz (KI) einen enormen Produktivitätszuwachs. Gleichzeitig sorgen sich viele Arbeitnehmer, dass sie durch Roboter überflüssig werden. Prof. Dr. Damian Borth, Leiter des Chair in Artificial Intelligence & Machine Learning der Universität St. Gallen, veranschaulichte die Möglichkeiten und Grenzen von KI. Seiner Ansicht nach brauchen wir uns vor KI nicht zu fürchten – im Gegenteil: Ohne sie gäbe es schon heute viele hilfreiche Entwicklungen wie etwa den Airbag nicht.
Im Eröffnungstalk kamen der RHI-Vorstandsvorsitzende Randolf Rodenstock und Damian Borth auf grundlegende gesellschaftspolitischen Fragen zu sprechen: Welche Regeln braucht die digitale Wirtschaft? Kann Deutschland mit der internationalen KI-Forschung und -Entwicklung Schritt halten? Wie können Unternehmen KI für sich nutzen? Während der technologische Wandel rasant fortschreitet, kommt es im Berufsleben immer mehr auf Soft Skills an. So lautet die These von Christiane Funken, Professorin für Kommunikations- und Mediensoziologie und Geschlechterforschung an der Technischen Universität Berlin. Ihr zufolge werden Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit künftig stark gefragt sein, was vor allem die beruflichen Perspektiven von Frauen verbessert.
Wie Arbeit mithilfe von „New Work“ neu organisiert werden kann, erläuterte Lars Attmer, Autor und Unternehmensberater bei Detecon International. Anhand von Praxisbeispielen zeigte er, wie Unternehmen sich mit diesem Konzept kundenorientierter, kreativer und innovativer aufstellen können. Um Trends und Stimmungen in der Mittelschicht ging es im letzten Teil der Veranstaltung. Holger Lengfeld, Professor für Soziologie an der Universität Leipzig, widerlegte anhand empirischer Daten den Mythos von der „abstiegsbedrohten“ Mitte. Trotz stabiler finanzieller Lage sorgt sich jedoch rund ein Drittel der Mittelschicht um die Zukunft. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle RHI-Publikation „Die gespaltene Mitte – Werte, Einstellungen und Sorgen“, die auf dem Symposium vorgestellt wurde. Einig war sich die Expertenrunde – bestehend aus der Ökonomin Judith Niehues vom Institut der deutschen Wirtschaft und den Soziologen Holger Lengfeld und Stefan Hradil –, dass die gegenwärtige Identitätskrise der Mittelschicht zu politischen Verwerfungen führen kann.
„Wir als RHI wollen das Wechselspiel zwischen technischem Wandel und gesellschaftlicher Entwicklung auch weiterhin wissenschaftlich verfolgen“, kündigte Randolf Rodenstock in seinem Ausblick an. „Denn nur Wissen hilft gegen diffuse Ängste.“
Publikationen zum Thema
Die gespaltene Mitte
Die Mittelschicht in Deutschland ist seit Jahren stabil und steht wirtschaftlich gut da. Dennoch ist eine gewisse Unzufriedenheit zu spüren. Gesellschaftliche Veränderungen wie die Modernisierung der Arbeitswelt, die Globalisierung der Wirtschaft oder die Individualisierung der Lebensverhältnisse – all das scheint viele Menschen immer mehr zu verunsichern. Doch wer ist die Mitte eigentlich? Um diese Frage zu beantworten, ziehen die Autorinnen für ihre umfangreiche Analyse die Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) heran. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die Mittelschicht aus zwei klar voneinander unterscheidbaren Gruppen besteht: eher besorgten, materialistisch orientieren Menschen (rund ein Drittel) und eher zuversichtlichen Menschen mit postmaterialistischen Werten (rund zwei Drittel). Man darf die Mittelschicht also nicht über einen Kamm scheren, zumal sozioökonomische Faktoren wie Alter oder Einkommen diese Unterschiede nicht erklären können. Vielmehr müssen Politik, Unternehmen oder Medien sie differenziert nach ihren Werten, Einstellungen und Sorgen ansprechen.
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Mittelschicht in Deutschland: Verunsichert und ratlos?
Ein schönes Eigenheim besitzen, eine Familie gründen, dem Nachwuchs ein anständiges Studium ermöglichen – dies sind typische Ziele von Angehörigen der Mittelschicht. Wichtige Voraussetzung für solche Lebenspläne ist ein sicherer Arbeitsplatz mit einem guten, geregelten Einkommen. Doch was passiert, wenn die berufliche Zukunft unsicher wird und Arbeitslosigkeit droht? Platzen dann diese und andere Träume? Mit einer repräsentativen Erhebung gehen die Autoren diesen Fragen auf den Grund und stellen fest: Statusverunsicherung kann dazu führen, dass Menschen wichtige Lebensentscheidungen aufschieben. Doch sobald sich ihre Aussichten verbessern, geben sie ihre Zurückhaltung wieder auf. Damit reagieren die Menschen – auch und vor allem in der Mittelschicht – flexibel und pragmatisch auf den permanenten Wandel. Die Mittelschicht kann Unsicherheit aushalten und weiß sich Rat, produktiv mit ihr umzugehen.
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Bewegte Mitte – bewegte Gesellschaft
Die Mittelschicht in Deutschland gilt traditionell als krisenfest und stabil. Doch manche sehen sie verunsichert, abstiegsgefährdet und anfällig gegenüber extremen politischen Strömungen. Schon vor der Corona-Pandemie war die Mitte in Bewegung geraten. Die Veränderungen haben vor allem innerhalb der Mittelschicht stattgefunden – hin zu mehr akademisch Qualifizierten. Zu diesem Ergebnis kommen die Soziologen Holger Lengfeld und Jessica Ordemann in ihre empirischen Analyse für die Jahre 1991 bis 2018. Die Ökonominnen Judith Niehues und Theresa Eyerund identifizieren – ebenfalls mit Daten des SOEP –, drei klar unterscheidbare Gruppen in der Gesellschaft: die Zuversichtlichen, die Besorgten und die Beunruhigten. Gesellschaftlich-kulturelle Sorgen treten unabhängig vom Einkommen in allen Schichten auf. Der Soziologe Stefan Hradil kommt zu dem Schluss, dass vor allem die untere Mittelschicht ihre Lage kritisch sieht und politisch wie gesellschaftlich einen Unruheherd darstellt. Durch die Globalisierung fühlen sich nicht nur Teile der Mittelschicht bedroht. Sie bringt auch Gefahren für Umwelt und Gesundheit mit sich, die die Menschen verunsichern.
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