RHI-Symposium 2023
Perspektive(n) Demokratie
Das Symposium des Roman Herzog Instituts (RHI) stand am 15. November 2023 ganz im Zeichen der Demokratie und ihrer Bewahrung: Wie können wir unsere demokratische Ordnung vor autokratischen Bedrohungen schützen? „Die Demokratie wird zunehmend infrage gestellt – hierzulande schwindet die Zustimmung zu ihr und weltweit gewinnen autoritäre Regime an Einfluss,“ erklärte RHI-Vorstandsvorsitzender Prof. Randolf Rodenstock. „Deshalb ist es wichtiger denn je, sich mit den Grundlagen unserer demokratischen Ordnung auf wissenschaftlicher Basis zu befassen.“
Speaker à la carte
Neun Wissenschaftlerinnen und Experten aus unterschiedlichen Fachgebieten – etwa Politikwissenschaft, Soziologie, Theologie oder Sinologie – eröffneten mit pointierten Statements zum aktuellen Zustand der westlichen Demokratien die Veranstaltung. Danach konnten sich die Gäste in drei aufeinander folgenden Talkrunden mit jeweils drei zeitgleich stattfindenden Vorträgen ihr persönliches Programm zusammenstellen. Zwischen den RHI-Talks und im Anschluss gab es Gelegenheit, mit den Referent*innen ins Gespräch zu kommen.
Demokratie in der Defensive
Einen thematischen Schwerpunkt bildeten die antidemokratischen Gefährdungen: Warum werden Politiker im Internet beschimpft und bedroht? Wie kann man Nichtwähler für die Demokratie zurückgewinnen? Wer sind die Feinde von Demokratie und Freiheit? Dem Soziologen Clemens Albrecht zufolge sind viele mit der Demokratie unzufrieden, weil ihnen eine Fülle von Regulierungen die Erfahrung individueller Handlungsfreiheit und Selbstwirksamkeit nimmt. Andere fühlen sich laut Freiheitsforscherin Ulrike Ackermann von der offenen und pluralistischen Gesellschaft überfordert und wenden sich identitären Bewegungen am rechten oder linken Rand des politischen Spektrums zu. Diese sind zum Sammelbecken für Resignierte und Politikverweigerer geworden und haben das demokratische System zu ihrem gemeinsamen Feindbild erkoren.
Input vom Inland bis Indien
Doch auch Kräfte von außen attackieren unsere demokratische Ordnung. Denn ein strategisches Ziel autokratischer Regime besteht nach Ansicht von sicherheitspolitischen Experten darin, die westlichen Demokratien zu destabilisieren. Laut Politikwissenschaftler Nico Lange ist der Krieg Putins gegen die Ukraine vor allem eine Kampferklärung an die liberalen Gesellschaften. Dazu kommt Asienkenner Manuel Vermeer zufolge, dass unser Demokratieverständnis von vielen Ländern wie etwa Indien und China, in denen die Hälfte der Menschheit lebt, nicht geteilt wird. Neben der politischen Kultur und den Traditionen eines Landes können auch religiöse Wertvorstellungen mit freiheitlichen Normen kollidieren, führte der Theologe Markus Vogt aus.
Themen im Essay- und im Talk-Format
Die Veranstaltung endete mit einer Preisverleihung: Geehrt wurde Thomas Willems als Gewinner des diesjährigen RHI-Essaywettbewerbs zu der Frage: „Wie sollen liberale Demokratien autokratischen Herausforderungen begegnen?“ Mit diesem Wettbewerb hat das RHI eine neue Reihe ins Leben gerufen. Auch in den kommenden Jahren soll jeweils eine relevante gesellschaftspolitische Frage ausgeschrieben und interdisziplinär beleuchtet werden.
Dies war auch der Anspruch des Symposiums, das sich als „RHI-Talk“ erstmals in interaktiver Form präsentierte. Überaus zufrieden mit dem neuen Erscheinungsbild zeigte sich Gastgeber Rodenstock am Ende der Veranstaltung. „Wie in einem Kaleidoskop sind heute ganz neue Bilder zum Thema Demokratie entstanden“, resümierte er. „Als Thinktank ist es unsere Aufgabe, unser Wissen über die Demokratie immer wieder auf den Prüfstand zu stellen und um neue Perspektiven zu erweitern.“
Meet the speakers
Publiktionen zum Thema Demokratie
Bedingungsloses Grundeinkommen
Manche Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens fordern ein gebündeltes Transfereinkommen eher aus pragmatischen, ökonomischen Gründen. Andere hingegen verfolgen visionäre bis utopische Vorstellungen einer Gesellschaft. Dr. Dominik H. Enste vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln stellt die verschiedenen Denkansätze vor und geht der Frage nach, wie diese „grundlosen“ Einkommen Wirtschaft und Gesellschaft verändern würden. Der Umstieg von den heute üblichen Sozialleistungen auf das bedingungslose Grundeinkommen entspricht nach Ansicht zahlreicher Ökonomen einer Herztransplantation, die nur im äußersten Notfall riskiert werden sollte. Dagegen genüge zur Verringerung der Intransparenz und der hohen Bürokratiekosten im bestehenden Umverteilungssystem womöglich schon eine Fitnesskur für den Sozialstaat. Aber Ökonomen sehen die Welt generell mit anderen Augen als der Durchschnittsbürger – und auch anders als Journalisten und Lehrer. Die Begeisterung für ein Grundeinkommen ist demnach bei vielen Menschen groß und eine differenzierte Analyse, die über rein ökonomische Überlegungen hinausgeht erscheint sowohl notwendig als auch lohnenswert. Ziel der Publikation ist es, kritisch zu hinterfragen,
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Die Mittelschicht in Deutschland
Die Mittelschicht spielt eine zentrale Rolle in unserer Gesellschaft: Sie steht materiell gut da, ist wirtschaftliches Kraftfeld und politischer Stabilitätsanker. Gleichzeitig ist viel von der schrumpfenden Mitte und Abstiegsängsten die Rede. Die Statuspanik reicht vom Facharbeiter bis zum mittelständischen Unternehmen Beim ersten interdisziplinären Werkstattgespräch des Roman Herzog Instituts beschäftigten sich Ökonomen, Philosophen, Psychologen und Soziologen mit der Diskrepanz zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit: Welche Ängste und Sorgen treiben die Menschen um? Was sind die Gründe für die aktuelle Verunsicherung? Und wie wirkt sich das auf die Gesellschaft aus? Der 17. WissensWert bereitet die Diskussionsergebnisse kurzweilig auf.
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Ethische Grundlagen einer gerechten Wirtschaftsordnung
Aus Sicht der deutschen Wirtschaft legt Randolf Rodenstock, Präsident der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V., die Grundwerte und aktuelle Fehlentwicklungen der Sozialen Marktwirtschaft dar und entwirft eine Vision, wie unsere Gesellschaft über mehr Wettbewerb und Freiheit in Zukunft auch wieder mehr soziale Gerechtigkeit gewinnen könnte. Ausgehend von der Überzeugung, dass die Soziale Marktwirtschaft die gerechteste aller derzeit möglichen Wirtschaftsordnungen ist, geht Rodenstock auf die Verantwortung des Einzelnen und der Unternehmen in der Gesellschaft ein. Er zeigt auf, dass viele Kritikpunkte am derzeitigen Wirtschaftssystem aus der mangelnden persönlichen Ethik des Einzelnen entstehen und setzt auf mehr Eigenverantwortung und Freiräume, um Markt und Ethik wieder zu versöhnen.
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